(Diese kleine Geschichte war früher im Anhang meiner Bücher zu finden und sollte die Leser dazu animieren, mir ein Feedback zu geben.)
Ich versuchte mich auf die Show zu konzentrieren, die gerade auf der Bühne stattfand. Ich musste mich unbedingt ablenken, sonst würde ich hier noch durchdrehen. Neben mir standen Cathrin und Lars. Beide hatte ich erst vor etwa einer halben Stunde kennengelernt und doch verband uns bereits etwas sehr Tiefes miteinander – unsere Angst. Die Angst vor dem Versagen. Die Angst davor, heute das Gegenteil von dem zu erfahren, was wir uns alle so sehr wünschten. Und doch waren wir alle aus genau demselben Grund hier – wir wollten unsere Angst besiegen und den nächsten Schritt wagen. Einen Schritt raus aus der Dunkelheit, der sicheren Anonymität.
Ein schmaler Spalt zwischen den Vorhängen, die den Backstagebereich von der Bühne trennten, erlaubte mir zu erahnen, was auch mir in Kürze bevorstehen würde. Das Publikum war von der Dunkelheit fast vollkommen verhüllt. Lediglich die Gesichter derjenigen, die sich gerade lieber mit ihrem Handy beschäftigten, anstatt den Darbietungen auf der Bühne ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken, waren zu erkennen.
Oben auf der Bühne stand ein junger Mann und umklammerte krampfhaft einen Mikrofonständer. Vor ein paar Minuten hatte ich ihn noch im Backstagebereich gesehen, wie er nervös auf und ab getigert war. Doch ich war viel zu sehr mit mir selber beschäftigt, als dass ich mich um ihn hätte kümmern können. Jetzt stand er dort, im grellen Licht der Scheinwerfer und gab sein Bestes, um dem Publikum zu gefallen. Er sang einen Song von Bryan Adams, einem meiner Lieblingssänger. Natürlich reichte seine Stimme nicht an das Original heran, aber seine Stimme gefiel mir trotzdem ziemlich gut.
Die Musik verstummte und für einen Moment herrschte Totenstille. Ich konnte sehen, wie er sich hilfesuchend im Publikum umsah. Vielleicht hat er ja Freunde oder Verwandte im Publikum sitzen, dachte ich und fragte mich gleichzeitig, ob es eine gute Idee gewesen war, vollkommen alleine zu diesem Talentwettbewerb zu fahren. Dann setzte plötzlich ein bescheidener Beifall ein, der von einigen wenigen Buhrufen unterbrochen wurde. Mit gesenktem Kopf verließ er die Bühne, schlüpfte durch den Spalt in den Vorhängen und kam direkt auf uns zu. Traurig, aber irgendwie auch hoffnungsvoll schaute er uns an. Ich wollte ihm gerne sagen, dass ich seine Performance ganz gut fand und dass er nur nicht aufgeben solle, aber ich brachte nur ein mitleidiges Schulterzucken zustande.
Eine Regieassistentin kam auf uns zu. Sie trug einen kurzen schwarzen Rock und eine weiße Bluse. Ihre dunklen Haare hatte sie zu einem Dutt zusammengebunden. Durch ihre Brille, mit einem dicken schwarzen Gestell, schaute sie auf einen Zettel, den sie auf einem Klemmbrett fixiert hatte. Dann hielt sie sich die Hand an ihr rechtes Ohr und sprach etwas in ihr Headset, was ich leider nicht verstehen konnte.
»Nummer 48, du bist jetzt dran!«, sagte sie zu Cathrin und zerrte sie am Oberarm in Richtung Bühne.
»Viel Glück!«, rief ich ihr noch hinterher, aber sie schien mich nicht mehr gehört zu haben.
Wir trugen alle kleine Aufkleber mit Nummern auf unseren Oberkörpern. Lars hatte die Nummer 27 und ich war die Nummer 63. Seltsamerweise wurden wir aber nicht der Reihe nach auf die Bühne geschickt, sondern waren der Willkür der Regie ausgesetzt, die ihre Befehle via Funk an ihre Assistentin weitergab.
Nicht zu wissen, wann man wirklich dran war, war die reinste Folter. Seit einer Dreiviertelstunde stand ich nun schon unter höchster Anspannung. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, ich schwitzte ungewöhnlich stark und meine Hände und Beine fingen immer wieder an unkontrolliert zu zittern. Außerdem verspürte ich den permanenten Drang zur Toilette rennen zu müssen, traute mich aber nicht, da ich ja schließlich jeden Moment dran sein konnte.
Cathrin stand jetzt vor dem Mikrofon. Sie räusperte sich mehrfach, bevor sie sich dem Publikum in wenigen Worten vorstellte. Dann begann sie, ihr selbst geschriebenes Gedicht vorzutragen. Sie sah in diesem Moment nicht nur aus wie ein Engel, auch ihre Stimme klang göttlich. Sie hätte eine Gebrauchsanleitung vorlesen können und ich hätte trotzdem an ihren Lippen gehangen. Sie war mir gleich aufgefallen, als ich den Backstagebereich zum ersten Mal betreten hatte. Obwohl sie in einer Traube von Menschen stand, fiel sie mir sofort ins Auge. Ich hatte bisher nie an die Liebe auf den ersten Blick geglaubt, aber seit dem heutigen Tage wusste ich, dass es sie gab.
Als sie fertig war, herrschte wieder diese unerträgliche Stille im Saal. Dann hörte ich den ersten Klatscher, gefolgt von weiteren, bis schließlich der ganze Saal klatschte, johlte und mit den Füßen aufstampfte. Sie hat es geschafft!, dachte ich zufrieden. Ich gönnte ihr diesen verdienten Erfolg wirklich von ganzem Herzen und war erleichtert, dass das Publikum auch zu einer derartig positiven Reaktion fähig war. Vielleicht gelingt mir das ja auch? Ich spürte, wie meine Hoffnung zurückkehrte und mir ein wenig von meiner lähmenden Angst nahm.
Freudestrahlend kam Cathrin auf mich zu. Ihr Lächeln war so wunderschön, dass ich für einen kurzen Moment alles um mich herum vergaß.
»Du hast es geschafft!«, rief ich ihr zu, lief ihr zügigen Schrittes entgegen und schloss sie in meine Arme.
Sie drückte sich ganz fest an mich. Tränen der Erleichterung kullerten über ihre Wangen und benetzten auch mein Gesicht. Ich spürte ihren warmen Atem an meinem Hals und fühlte ihr Herz, das vor Aufregung noch immer wild klopfte.
»Nummer 63, wo steckt Nummer 63?«, vernahm ich plötzlich die aufgebrachte Stimme der Regieassistentin.
Für einen kurzen Moment überlegte ich, meinen Auftritt einfach sausen zu lassen und stattdessen lieber diesen wundervollen Moment zu genießen. Besser konnte es doch jetzt eigentlich nicht mehr werden.
Aber Cathrin löste plötzlich ihre Umarmung und schaute mir tief in die Augen. »Du bist dran! Du schaffst das!«, flüsterte sie mir zu, hauchte mir einen Kuss auf die Wange und schob mich Richtung Bühne.
»Glück gehabt!«, zischte mir die böse dreinblickende Regieassistentin zu, packte mich unsanft am Oberarm und zwang mich so, noch etwas schneller zu gehen.
Ich drehte den Kopf über meine Schulter und schaute zurück zu Cathrin. Sie lächelte mir zu, hielt beide Fäuste vor ihre Brust und drückte mir symbolträchtig die Daumen. Ich konnte meinen Blick gar nicht mehr von ihr abwenden, als ich plötzlich einen unsanften Stoß im Rücken verspürte und mich mitten auf der hell erleuchteten Bühne wieder fand.
Die Scheinwerfer blendeten mich so sehr, dass ich gezwungen war meinen Blick zu senken und meine Augen zusammenzukneifen. Augenblicklich fing ich an zu schwitzen und auch das Zittern meiner Arme und Beine setzte schlagartig wieder ein.
Ich hatte mir fest vorgenommen, mir eine Person im Publikum auszusuchen und meine Lesung nur für sie zu machen. Alle anderen wollte ich somit einfach ausblenden und hoffte so, meine Nervosität unter Kontrolle zu bekommen. Aber als meine Augen sich endlich an das grelle Scheinwerferlicht gewöhnt hatten und ich vorsichtig das Publikum nach einem geeigneten Kandidaten absuchte, musste ich verwundert feststellen, dass nicht ein einziger Zuschauer zu erkennen war. Nicht einmal die Schatten, die ich aus dem Backstagebereich heraus noch erkennen konnte, waren mehr sichtbar. Ich blickte in ein großes, schwarzes Nichts.
»Jetzt fang endlich an!«, flüsterte mir die Regieassistentin durch den Vorhang hindurch zu. Ihre Stimme klang jetzt total gereizt.
»Guten Tag, mein Name ist Thorsten Siemens und ich möchte Ihnen heute ein paar Zeilen aus meinem neuen Buch vorlesen«, brachte ich mühsam meine ersten einstudierten Sätze hervor und wartete vergeblich auf irgendeine Art von Reaktion.
Dann nahm ich meinen Ringordner zur Hand, in dem ich die entsprechenden Passagen eingeheftet hatte, klappte ihn auf und begann zu lesen.
Mit jeder Zeile spürte ich, wie ich immer sicherer wurde, wie mich meine Geschichte mehr und mehr vereinnahmte und mich die Realität schließlich vollkommen vergessen ließ. Erst als ich den letzten Satz beendet hatte und wieder in die große Dunkelheit blickte, wurde mir wieder bewusst, wo ich mich befand.
Gebannt wartete ich auf die erste Reaktion des Publikums. 21, 22, 23, 24, zählte ich in Gedanken die Sekunden, um nicht vollkommen den Bezug zur Zeit zu verlieren. Aber es geschah nichts. Einfach nichts. Kein Applaus, kein Gemurmel, aber auch keine Schmährufe. Es war einfach nur totenstill.
»Okay, das war’s!«, rief mir die Regieassistentin zu und winkte mich zum Vorhang.
Mit hängendem Kopf ging ich von der Bühne, schob den Vorhang ein wenig zur Seite und schlüpfte hindurch. Ich wollte jetzt nur noch zu Cathrin. Sie war die Einzige, die mich jetzt noch trösten konnte. Suchend schaute ich mich nach ihr um, aber der komplette Backstagebereich war plötzlich von der gleichen unendlichen Dunkelheit erfasst, wie das Publikum. Cathrin, Lars, die Regieassistentin - alle waren plötzlich verschwunden.
»Wo seid ihr alle?«, schrie ich, ließ mich auf meine Knie fallen und begann zu weinen.
*
Erschrocken riss ich meine Augen auf. Wo bin ich? Ich hob meinen Kopf an und blickte auf die kleine Speichelpfütze, die sich vor mir auf dem Schreibtisch gebildet hatte. Um mich herum lagen eine Vielzahl von Zetteln, teils bedruckt, teils mit handschriftlichen Notizen versehen. War das alles nur ein Traum?
Der Monitor meines Computers schlummerte im Energiesparmodus. Vorsichtig bewegte ich die Maus ein wenig und der Bildschirm leuchtete wieder auf. Verschlafen scannten meine Augen den Text, der auf dem Monitor zu lesen war. Es waren die letzten Zeilen meines ersten Thrillers. Monatelang hatte ich daran gearbeitet, an einzelnen Sätzen und Wörtern gefeilt, immer wieder Fehler gesucht und Handlungen geringfügig abgeändert. Aber jetzt war ich endlich zufrieden und bereit, den Text im Internet zu veröffentlichen. Nur noch wenige Mausklicks und hunderte, vielleicht tausende Menschen würden mein Buch lesen.
Vergeblich durchsuchte ich mein Innerstes nach dem euphorischen Gefühl, dass ich genau an dieser Stelle eigentlich hätte haben sollen. Aber ich fand lediglich eine lähmende Angst. Was ist, wenn es keiner liest? Was ist, wenn es keinem gefällt? Oder noch schlimmer: Was ist, wenn es viele lesen, aber keiner gibt mir ein Feedback? Woher soll ich wissen, was gut war? Wie soll ich zukünftig Fehler vermeiden? Wie soll ich jemals besser werden, wenn mir keiner sagt, was ihm nicht gefallen hat?
Ich musste an meinen Traum denken. Soll ich dieses Risiko wirklich eingehen?
Unruhig bewegte ich den Mauszeiger auf dem Bildschirm hin und her, als mir plötzlich ein kleiner schwarzer Punkt an der unteren rechten Ecke des Monitors ins Auge fiel. Was ist das? Ich beugte mich vor, tippte mit dem Zeigefinger darauf und hielt mir die Fingerspitze vor die Augen. Ist das Tinte? Vorsichtig schmierte ich die schwarze Flüssigkeit auf einem der Notizzettel ab. Wie kommt denn Tinte an den Monitor?
Als ich wieder aufblickte, bemerkte ich, dass alle Buchstaben auf dem Monitor plötzlich verschwommen waren und sich in einem kleinen Bachlauf sammelten, der genau auf die Ecke des Bildschirmes zuströmte, an der ich vorhin noch den Tintenklecks entfernt hatte.
Die Tinte tropfte aus meinem Monitor, wie das Wasser aus einem defekten Hahn. Hektisch zog ich ein Taschentuch aus seiner Verpackung und versuchte die Sauerei aufzuwischen, aber der Tintenstrom ließ sich nicht aufhalten. Er suchte sich seinen Weg vom Taschentuch, über meine Hand und verlief weiter meinen Arm hinauf. Sofort versuchte ich die klebrige Masse mit meiner anderen Hand wegzuwischen, was aber lediglich zur Folge hatte, dass auch sie von der schwarzen Masse erfasst wurde.
Mein kompletter Schreibtisch war mittlerweile von einer dicken Schicht der schwarzen Flüssigkeit überzogen, die nun überall von der Tischkante auf den Boden tropfte und sich um meine Füße verteilte. Ich wollte aufspringen und in den Hausflur fliehen, aber die schwarze Masse haftete wie Sekundenkleber an meinen Fußsohlen und ließ mir keine Chance zur Flucht. Ich öffnete den Mund und wollte so laut wie möglich um Hilfe rufen, doch da schwappte die Flüssigkeit bereits in meinen Rachen und erstickte meinen Schrei, noch bevor er meine Kehle verlassen konnte. Ich versuchte zu atmen, aber die schwarze Materie hatte meine kompletten Atemwege verklebt. Ich versuchte nach Luft zu schnappen, hustete und würgte, aber ich hatte keine Chance. Jetzt werde ich also sterben!, dachte ich und fühlte mich auf einmal erstaunlich ruhig. Wenigstens muss ich mich jetzt nicht mehr entscheiden, ob ich mein Buch veröffentliche, war mein letzter Gedanke, bevor ich meine Augen schloss und um mich herum wieder alles dunkel wurde.
*
Erschrocken riss ich meine Augen auf. Wo bin ich? Ich hob meinen Kopf an und blickte auf die kleine Speichelpfütze, die sich vor mir auf dem Schreibtisch gebildet hatte. Um mich herum lagen eine Vielzahl von Zetteln, teils bedruckt, teils mit handschriftlichen Notizen versehen. War das alles etwa wieder nur ein Traum?
Der Monitor meines Computers schlummerte im Energiesparmodus. Vorsichtig bewegte ich die Maus ein wenig und der Bildschirm leuchtete wieder auf. Verschlafen scannten meine Augen den Text, der auf dem Monitor zu lesen war. Es waren die letzten Zeilen meines ersten Thrillers.
Ein Déjà-vu - merkwürdig! Ich reckte mich und schaute gebannt auf die untere Ecke des Monitors. Ein Tintenklecks war nicht zu sehen und auch die Schrift auf dem Monitor war klar und deutlich zu erkennen.
Nun sei nicht albern!, versuchte ich mich selbst zur Vernunft zu rufen. Aber das ungute Gefühl, das meinen Blutdruck schlagartig ansteigen ließ, wollte einfach nicht verschwinden. Ich schloss die Augen und begann zu zählen: 21, 22, 23, 24. Vorsichtig öffnete ich meine Augenlider wieder und schaute ängstlich auf den Monitor. Alles wie immer!, stellte ich erleichtert fest. Aber das ungute Gefühl war noch immer nicht vollständig verschwunden.
»Es darf auf keinen Fall so kommen, wie in meinem Traum!«, sagte ich entschlossen zu mir selbst und tippte deshalb folgende Zeilen in den PC:
Nachwort des Autors
Liebe Leserin,
lieber Leser,
vielen Dank, dass Sie dieses eBook nicht nur heruntergeladen, sondern auch noch bis zum Ende gelesen haben.
Ich hoffe, Sie hatten beim Lesen ebenso viel Freude, wie ich beim Schreiben.
Da ich auch in Zukunft weiterhin Schreiben möchte, würde ich mich sehr über ein kurzes Feedback von Ihnen freuen. Was hat Ihnen gefallen? Was war nicht so gut? Nur so habe ich die Möglichkeit mich zu verbessern oder Bewährtes weiterhin beizubehalten.
Schreiben Sie einfach eine kurze Bewertung auf der Internetseite Ihres eBook-Händlers oder schicken Sie mir eine Email an: thorsten.ebooks@gmail.com.
Selbstverständlich würde mir eine ausführliche Rückmeldung sehr weiterhelfen, aber Sie brauchen wirklich keinen langen Text verfassen. Über ein kurzes Feedback (z.B. in Form einer einfachen Schulnote) würde ich mich ebenfalls freuen.
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Vielen Dank!
Thorsten Siemens